Bei Vorstellungsgesprächen muss man heutzutage auf
alles gefasst sein. Vor allem, wenn man den Fehler begangen hat, ein
gewisses Alter zu überschreiten.
Sollte man doch meinen, sie dienten dem gegenseitigen
Kennenlernen, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass sie nur dazu da
sind, guten Willen gezeigt zu haben und die nachfolgende Absage besser
formulieren zu können.
Wenn man auf Jobsuche ist und viele Bewerbungsgespräche
führt, kennt man mit der Zeit die immer wieder gestellten Fragen:
„Erzählen Sie doch mal ein bisschen über
sich?“, „Warum haben sie diesen Beruf gewählt?“, „Warum haben Sie
sich ausgerechnet bei uns beworben?“, und so weiter.
Dies lässt sich noch locker und überzeugend
beantworten, schließlich weiß man, warum man sich für eine bestimmte
Ausbildung entschieden hat. Und selbst wenn die Entscheidung damals während
der Schulzeit nach dem Motto getroffen wurde „Hört sich ganz
interessant an, ich probier 's mal“, dann ist man doch mittlerweile in
der Lage, einen Personalchef davon zu überzeugen, dass es DER Traumberuf
gewesen ist.
Nach den anfangs recht sachlichen Fragen geht 's
aber jetzt zur Sache. Der Personalchef hat sich selbstverständlich gut
vorbereitet und hat einige nette Fragen parat.
„Wie ich sehe, sind Sie verheiratet. Wie sind Ihre
familiären Verpflichtungen, Kinder und so? Könnten Sie trotzdem wenn nötig
Überstunden machen oder auch einmal am Wochenende arbeiten?“
Wie bitte? Kommt jetzt vielleicht sogar noch eine versteckte Frage nach
der Familienplanung? Aber nein, die verkneift man sich, vermutlich traut
man einer Vierzigjährigen in dieser Hinsicht sowieso nichts mehr zu. Und
überhaupt - in meinem Lebenslauf steht nichts von Kindern, ich habe nämlich
keine. Was soll also diese Frage? Man sollte eigentlich annehmen, ab einem
gewissen Alter zumindest den Vorteil zu haben, dass die Firmen nicht mehr
in Panik geraten wegen einer möglicherweise kurzfristig eintretenden
Schwangerschaft. Aber vermutlich steht der Schublade „Karrierefrau ohne
familiäre Verpflichtungen“ dann doch der Status des Verheiratetseins
entgegen. Wahrscheinlich schwirrt im Kopf des – männlichen –
Personalchefs der Gedanke herum „Frau muss schwer verdienenden Ehemann häuslich
versorgen“.
Nachdem auch diese Klippe erfolgreich umschifft ist
– „selbstverständlich bin ich absolut flexibel und die Katzen können
auch zwei Stunden länger auf ihr Futter warten“ – tischt der
Personalchef schon die nächste hinterhältige Frage auf.
„Wie würde eine gute Freundin sie beschreiben?“
Er grinst hinterlistig (zumindest innerlich) und freut sich über seine
taktisch doch so kluge Frage.
Das tue ich auch, denn diese Frage ist mir nicht
unbekannt. Nachdem ich sie mittlerweile schon mindestens dreimal
beantworten musste, fällt es mir nicht schwer. Aber irgendwann könnte es
passieren, dass ich zurückfrage, ob diese Gesprächsführung im Moment
zur Standardausbildung der Personalleute gehört.
Dann wird es interessant: Man spricht jetzt über das
Gehalt, das alte und das neue. Das wird spannend, denke ich mir, denn ich
habe vorher in einer anderen Region gearbeitet, in der die Gehälter
deutlich höher liegen. Als ich die Höhe meines alten Gehaltes erwähne,
weiten sich die Augen des Personalchefs vor Erstaunen. Er bringt nur noch
die knappe Frage „Monatlich?“ über die Lippen. Ich grinse innerlich
und kann mir den Kommentar „Ja sicher, monatlich, nicht jährlich!“
nicht verkneifen.
Er lässt sich zu keinerlei Aussage über das zu
erwartende Gehalt hinreißen. Vermutlich ist es ihm peinlich, nur die Hälfte
bieten zu können.
Ach ja, ganz am Ende fällt ihm noch etwas ein:
„Sehen Sie ein Problem mit Ihrem Alter? Wir sind nämlich eine sehr
junge Firma.“
Zum ersten Mal erlebe ich es, dass das Alter in einem
Vorstellungsgespräch angesprochen wird. Ich habe kein Problem damit, aber
er anscheinend. Um Himmels willen, nein, man habe nichts gegen "ältere"
Bewerber, sonst hätte man mich nicht eingeladen, betont er. Aber es gäbe
doch Leute, die sich von Jüngeren (Vorgesetzten) nichts sagen lassen.
Seine Beteuerungen erwecken bei mir allerdings den Eindruck, nicht ehrlich
zu sein.
„Wir melden uns bei Ihnen, aber es wird ungefähr
zwei Wochen dauern, Sie wissen, wir haben hier so viel zu tun ...“
Das sind seine Worte bei der Verabschiedung.
Vermutlich hat er dann doch Überstunden gemacht, denn nur drei Tage später
finde ich die Absage im Briefkasten.
"Man habe sich auf einen Bewerberkreis konzentriert, der dem Profil
der ausgeschriebenen Position am nächsten komme ..."
(Januar 2001)

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